Andacht für Mai und Juni 2023

Wie lieblich ist der Maien…

so beginnt das bekannte Lied, das Martin Behm 1606 erstmals veröffentlichte. Wir kennen dieses Lied meist auswendig…

 

Ist der Mai lieblich? Jeder Mai ist anders. Er kann mit sommerlichen Tagen glänzen. Der Wonnemonat kann aber mit den Eisheiligen auch den Winter zurückbringen. Jeder Mai ist anders. Wie er wird, haben wir nicht in der Hand. Dem Wetter sind wir ausgeliefert. Das passt nicht recht zu dem Selbstverständnis, das wir gern von uns pflegen. Ich meine die Idee, dass man alles im Griff hat.

Es steht nicht alles in unserer Hand. Schon das Wetter kann uns trotz all der wohlentwickelten Technologien einen Strich durch unsere Rechnung machen. Und dies nicht nur im launischen April. Die Grenzen unserer Kontroll- und Einflussmöglichkeiten führt uns das Wetter in jeder Jahreszeit vor Augen. Es mahnt ausgerechnet uns mit unserer manchmal weltweiten Vernetzung daran, wie klein doch im Grunde der menschliche Wirkungs- und Wirksamkeitskreis ist.

Unsere Wirkungskreise, die Kreise unserer Wirksamkeit unterscheiden sich. Wenige sind von imponierender Reichweite, viele werden als zu beschränkt empfunden. Unsere Wirkungskreise, die Kreise unserer Wirksamkeit, sie verändern sich zudem im Lauf des Lebens. Letztlich bleiben sie alle klein. Das mag zu unserem Selbstbild passen oder nicht. Der menschliche Spielraum bleibt trotz aller erstaunlichen Möglichkeiten begrenzt. Allerdings: Wir leben nicht mehr – wie der Dichter der Zeilen „Wie lieblich ist der Maien aus lauter Gottes Güt‘, des sich die Menschen freuen, weil alles grünt und blüht“ – im 16./17. Jahrhundert. Unsere Lieder klingen anders. Oft weniger getragen. Und sicher am 1. Mai, am Tag der Arbeit, auch mitreißender. Vielleicht blicken wir gerade, weil unsere Lieder so anders klingen, mit Neugier auf die Lieder von früher. Was hatten die Menschen damals zu sagen, kann man fragen. Und: Haben sie vielleicht uns noch etwas zu sagen?

 

Das Lied ist auch gleichzeitig ein Gebet. „Herr lass die Sonne blicken, ins finstre Herze mein…“Ob wir noch so beten können, weiß ich nicht. Viele bringen wohl noch immer Gottvertrauen wie Behm auf, einfach weil sie erfahren, dass ihnen allein aus eigener Kraft nichts gelingt. Anderen ist das nicht möglich. Sie brauchen das Wissen von der eigenen Effektivität, die Freude an den eigenen Resultaten als Lebenselixier. Manche schließlich brennen aus unter der Last der eigenen Ideale. Unser altes Kirchenlied steht zu solchen Idealen im Kontrast. Vielleicht in einem heilsamen Gegensatz.

Es lädt dazu ein, den Gott, dessen Wirkungskreis unseren übersteigt, als Helfer hinzuzubitten. Gott wird als Helfer angerufen, damit mitten im Kreis menschlicher Wirksamkeit und sehr wohl auch dank unserer Kraft die Pflanzen blühen, an denen wir uns freuen. Unsere Arbeit wird durch diesen Helfer nicht entwertet. Sie wird aufgewertet. Gilt sie doch als derart kostbar, dass ihr Gelingen sogar dem Schöpfer ans Herz gelegt wird.

Als Wonnemonat gilt der Mai, der mit dem Tag der Arbeit beginnt und uns zahlreiche Feiertage beschert. Zum Paradies macht er die Erde damit nicht. Hoffnungen lässt er zwar sprießen. Garantien stellt er nicht aus. Jeder Mai ist anders. Er langweilt jedenfalls nicht. Das Vogelgezwitscher im Mai weckt uns oft früher. Neue Gelegenheit bietet der liebliche Mai. Zum Innehalten, zum Wirksamkeit- Wagen. Und zur Hoffnung auf den, dessen Wirkungskreis die unseren weit übersteigt.

Eine gesegnete und erfüllte Zeit wünscht Ihnen Ihre Pfarrerin Evelin Franke