Andacht für November 2022

Ein Tag zum Nachdenken

Buß- und Bettag…vielleicht können wir uns noch erinnern an Kindertage. Langweilig…die Geschäfte mitten in der Woche geschlossen, die Straßen leergefegt, getragene klassische Musik im Radio und dann auch noch graues Novemberwetter. Die einzigen Lichtblicke waren der Braten zum Mittagessen und der anschließende Spaziergang mit den Eltern – auch nicht das, was mich als Kind vom Hocker gerissen hätte.

Heute ist der Buß- und Bettag (außer in Sachsen) ein ganz normaler Mittwoch. Die Kinder gehen zur Schule, die Erwachsenen zur Arbeit, die Geschäfte haben geöffnet, normale Betriebsamkeit. Und ich sehne mich nach einem arbeitsfreien Buß- und Bettag zurück. Nach einem Tag, an dem ich Zeit und Ruhe habe, mein eigenes Leben und das, was ich tue, zu hinterfragen. An dem ich darüber nachdenken kann, wo ich auf einem guten Weg bin und wo nicht, und darüber, ob ich manches vielleicht aus eigener Kraft ändern und umkehren kann. Klar, über mich und mein Leben nachdenken – das kann ich an jedem freien Tag auch, aber ein gemeinsamer Feiertag ist eine besondere Chance.

Ein guter Freund sagte mir einmal: „Mensch, dieses ewige Gerede von menschlicher Schuld und Sünde – das macht mich noch ganz depressiv. Gott hat uns doch so gemacht. Wieso soll ich mich immer so schrecklich schuldig fühlen?“ „Sollst du gar nicht“, konnte ich ihn überzeugen. „Nur ab und zu gucken, ob du nicht was korrigieren kannst. Denn Gott liebt uns, wie wir sind. Aber er traut uns zu, dass wir uns verändern können.“ (Ulrike Berg)

Mit herzlichen Grüßen Ihre Pfarrerin Evelin Franke

Vergeben statt vergessen

Einem Menschen vergeben heißt nicht, das, was er getan hat, für ungeschehen erachten, nicht wahrhaben wollen oder schlicht vergessen. Vergeben kann unter Umständen bedeuten, gerade nicht zu vergessen. Vergeben heißt: die Vergangenheit eines anderen keinen Einwand dagegen sein lassen, dass ich ihn nicht annehme. Vergebung heißt nicht das Ja zu einer vergangenen Schuld, wohl aber das Ja zu einem Menschen mit seiner vergangenen Schuld.

(Otto Hermann Pech)

Martinsfeiern im Kirchspiel

Am Donnerstag, 10.11.2022 17 Uhr Willerstedt Start: Kirche mit anschl. Laternenumzug

Am Freitag, 11.11.2022 17 Uhr Buttstädt: Start an der Kathol. Kirche anschl. Laternenumzug zur ev. Kirche

Am Samstag, 12.11.2022 17 Uhr Hardisleben: Start in der ev. Kirche anschl. Fackelumzug und dann Einladung zu Rostwurst und Getränken

Andacht für September und Oktober 2022

Glauben ist wie Küssen

Christen sollen einander küssen, fordert die Bibel immer wieder:“ Grüßt einander mit dem heiligen Kuss“( Röm.16,16) oder „Grüßt einander mit dem Kuss der Liebe“ (1. Petrus5.14)

Ja, Sie haben richtig gehört: Glauben ist wie Küssen. Ihren letzten Kuss schmecken Sie vielleicht noch auf den Lippen – aber erinnern Sie sich auch noch an Ihren allerallerersten Kuss? Der liegt sicher schon einige Zeit zurück. Ist ja auch kein Wunder, denn Küssen und Glauben tun wir schon viel länger als wir denken.

Was waren das damals für Kinderküsse voller Inbrunst und Spucke! Ein ganzes Kinderleben steckt in so einem Kuss – und manchmal auch noch ein Rest vom letzten Schokokuss. Und wissen Sie auch noch, was Sie damals geglaubt haben?

Heute ist alles anders: sowohl beim Küssen als auch im Glauben. Wir sind erwachsen geworden – und unsere Küsse und unser Glauben auch. Und beide haben sich dabei verändert. Wir Erwachsenen können nicht mehr so küssen wie als Kind. Und wir Erwachsenen können auch nicht mehr so glauben wie als Kind.

Vielleicht haben wir es auch einfach vergessen oder verlernt. Manchmal gab es da auch schlechte Erfahrungen, die überhaupt keinen Spaß gemacht haben und keine Lust auf mehr. Und in Zeiten von Corona mussten wir mit dem Küssen ohnehin sparsam umgehen.

Dann müssen wir es heute vielleicht noch einmal neu probieren – und herausfinden, wie sich das denn jetzt so anfühlt und ob es eigentlich immer noch so geht wie damals. Geht es natürlich nicht, weder beim Küssen noch beim Glauben.

Und in Zukunft wird es übrigens noch mal ganz anders werden: Oder meinen Sie, dass Sie in – sagen wir mal dreißig Jahren –noch genauso küssen und das Gleiche glauben wie heute? Wer noch weiter denken will, kann sich auch den letzten Kuss vorstellen: ein Abschiedskuss kurz vor dem Tod – und was man dabei dann wohl glaubt.

Und noch zwei Dinge sind beim Küssen genauso wie im Glauben: Beides kann man nur schlecht allein: Glauben kann ich zwar mal allein probieren, aber wirklich befriedigend ist das nicht. Und beides geht nicht auf Kommando – jedenfalls nicht ehrlich und nicht wirklich gut.

Glauben ist eben wie Küssen. Denken Sie daran beim nächsten Kuss! Ein ganz anderer Kuss findet sich im Psalm 85 „ Gottes Hilfe ist nahe“, heißt es da, „dass Friede und Gerechtigkeit einander küssen“. Das wäre ein Kuss, der die Welt verändert.

Mit Gruß und Kuss Ihre Pastorin Evelin Franke

Foto: Pixabay

 

Kirchenjahr – Johannistag

24. Juni – Johannistag

 

Als im 4. Jahrhundert der Weihnachtstermin festgelegt wurde ergab sich ein halbes Jahr vorher auch der Termin für das Fest zur Geburt Johannes des Täufers. Da dieser Termin in unmittelbarer Nähe zur Sommersonnenwende lag, verknüpfte sich manches Brauchtum der Sonnenwendfeier mit dem des Johannistages. Am bekanntesten scheint das Johannisfeuer zu sein. Es ist ein seit dem 12. Jahrhundert belegte Brauch. Das Feuer soll Dämonen und Hagelschäden abwehren. In einer christlichen Legende wird das Johannisfeuer so gedeutet:
Die Schergen des Herodes suchten Johannes und wollten sich mit einem Feuer das Auffinden des Täufers signalisieren. Die Freunde des Johannes erfuhren davon und ließen in der Gegend viele Feuer aufflammende. So wurden die Soldaten verwirrt und Johannes war gerettet.

Ab dem 24. Juni werden die Tage wieder länger, dies wurde auf den Ausspruch im Johannesevangeliums 3,30 gedeutet: „Er (Jesus) muß wachsen, ich aber muß abnehmen“.

Da um den Johannistag herum die Natur voll erwacht ist, tragen auch manche Pflanzen Johannis in ihren Namen. Die bekannteste ist wohl das Johanniskraut. Es heißt, es sei an der Stelle gewachsen wo das Blut des Täufers in die Erde sickerte. Und tatsächlich: wenn Sie eine dieser Blüten zwischen den Fingern zerreiben färben sich Ihre Finger rot.

Weit verbreitet war früher das Backen von Johanniskuchen. Im Elsass wurde er am Festtagsmittag in noch warmem Zustand vom Backhaus nach Hause getragen, woher die Redensart „Hans Dampf in allen Gassen“ stammt.

Ihr Pfarrer J. Schmidt

 

 

Andacht für Juni, Juli und August 2022

Andacht zu Psalm 139,5

„Von allen Seiten umgibst DU mich und hältst Deine Hand schützend über mir“

Was machen sie im Urlaub? Vielleicht antworten Sie :“ Einfach mal abschalten! In den letzten Monaten ist so viel auf mich eingestürmt…Darum: Erst einmal abschalten!“ Ich halte das für wichtig und gut. Mir geht es so, dass ich dann überhaupt erst wieder entdecke, was mich ständig umgibt: den Garten, die Freunde. All das ist immer da, aber es ist zugedeckt durch die Eindrücke und Anforderungen, die durch die Arbeit auf mich einstürzen.

Wenn ich den Satz aus dem Psalm 139 lese, dann wird mir klar: Dem, der das sagte, wird es so ähnlich gegangen sein. Der hat sich mal Zeit genommen, tief durchgeatmet und dann staunend gesagt: „Von allen Seiten umgibst DU mich und hältst Deine Hand schützend über mir.“

Ist das denn wahr?, werden Sie vielleicht fragen. Mehr als nur Schwärmerei? Ist denn in all dem, was mich umgibt, Gott? Ich meine: Nein, in dem, was mich umgibt, ist nicht Gott. Aber Gott ist so, wie das, was mich umgibt: Eben immer da. Ich merke nur seine Gegenwart nicht, seine schützende Liebe nehme ich nicht wahr. Gott ist unser aller „Lebenselixier“, sagt dieser Satz, ebenso wie die Luft, die wir atmen, eben selbstverständlich atmen. Wie sehr wir sie brauchen, das merken wir erst, wenn sie uns fehlt. Der Psalmbeter staunt. Er fühlt sich bei Gott aufgehoben, weil er erkennt: „Was ich auch tue – Gott ist da. Wo ich auch bin – Gott ist da!“ Ob ich auf dem heimischen Balkon eine Auszeit nehme oder auf große Reise gehe…

Und der Beweis dafür? Er hat keinen und ich kann auch keinen geben. Dem Beter sind damals die Augen aufgegangen für Gottes ständige, stille Gegenwart in seinem Leben.

Dass Ihnen und mir die offenen Augen geschenkt werden, wie sie der Psalmbeter hatte, das ist mein Urlaubswunsch für einen jeden für uns und für mich 😊.

Herzliche Grüße für Sie und Ihre Lieben Ihre Pastorin Evelin Franke

 

Andacht für April – Mai

Das Leben wahrnehmen

Maria von Magdalena kam zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie berichtete, was er ihr gesagt hatte.  (Johannes 20,18)

Liebe Gemeinde, ich bin sprachlos in diesen Tagen. Seit 14 Tagen haben wir Krieg in der Ukraine. Menschen erleben Schreckliches. Sie müssen sich verstecken vor den Angriffen der Raketen. Von einem Tag auf den anderen verlassen sie ihre gewohnte Umgebung, um sich und die Familie in Sicherheit zu bringen. Sie sind auf der Flucht und wissen nicht, wie es für sie in der Zukunft weiter gehen soll. Sie werden liebevoll aufgenommen in der Fremde, der Sprache nicht mächtig und tauchen in ein ganz neues Leben ein….Ich gehe ein wenig in der Sonne spazieren auf der Suche nach dem Frühling und bin überwältigt von der zunehmenden Kraft der Sonne, die die Erde erwärmt und viele Farben und Formen auf die noch grauen Wiesen zaubert. Ein Gedicht von Rilke fällt mir ein:

Vorfrühling
Härte schwand. Auf einmal legt sich Schonung
an der Wiesen aufgedecktes Grau.
Kleine Wasser ändern die Betonung.
Zärtlichkeiten, ungenau,

greifen nach der Erde aus dem Raum.
Wege gehen weit ins Land und zeigens.
Unvermutet siehst du seines Steigens
Ausdruck in dem leeren Baum.

Wie soll ich beides zusammenkriegen? Ein seltsamer Kontrast ist das. Wir feiern Ostern. Wir feiern das Leben. Jesus ist auferstanden und hat den Tod besiegt. Draußen erwacht das Leben neu. Doch wenn ich abends die Nachrichten sehe, dominieren Schreckensmeldungen das Bild. Wie soll ich das zusammenbringen, diese Bilder und unser Osterfest? Wo siegt denn da das Leben über den Tod? Doppeldeutig ist oft unsere Wirklichkeit. Nebeneinander erleben wir Ende und Anfang, nahbeieinander liegen Liebe und Hass, Zerstörung und Neubeginn. Wem wollen wir glauben im Wechselbad der Gefühle? Woher wollen wir unsere Kraft beziehen? Wenn ich in diesen Tagen nicht beten könnte, wüsste ich mit meinen zwiespältigen Gefühlen gar nicht wohin. Ich kann mich Gott anvertrauen in Zeiten der Ohnmacht und Hilflosigkeit und für mich begreifen, das Leben geht weiter, allen Widersprüchen zum Trotz. Es sucht sich einen anderen Weg in mir und mit mir. Auch wenn ich diesen jetzt noch nicht sehen kann…aber ich kann die Farben sehen.

Ostern feiern: das Fest der Hoffnung: Das Leben siegt über den Tod. Manchmal sind seine Bilder kraftvoll und stark. Manchmal sind sie werbend und zart. Kaum zu erkennen und doch da. Und manchmal feiern wir gegen den Augenschein. Den Bildern des Todes zum Trotz. Wir suchen die Hoffnung noch, suchen das Leben. Ich will es wagen, der Botschaft zu trauen: Jesus ist auferstanden. Der Morgen ist angebrochen, im Grab ist Licht.

Im Russischen heißt Sonntag Воскресе́ние (voskresesenie) und dass bedeutet Auferstehung.

Wir werden leben hier auf Erden und in Ewigkeit…

Ihre Pfarrerin Evelin Franke