Monatsspruch September:
Ja, Gott war es, der die Welt mit sich versöhnt hat. 2. Kor.5,19
Wenn ich das Wort „versöhnen“ höre, dann denke ich an ein wechselseitiges Geschehen: man versöhnt sich miteinander. Ein Kompromiss wird gesucht. Ein Streit wird einvernehmlich geschlichtet. „Wir haben uns wieder versöhnt“, d.h. „wir haben das, was zwischen uns stand, besprochen. Wir haben uns ausgesprochen und versucht, das Trennende zu beseitigen. Und es ist uns gelungen. Wir kommen wieder miteinander zurecht. Ja, wir haben uns versöhnt.“ Das, was voneinander trennt, wird von beiden Seiten aus dem Weg geräumt. Jeder schaufelt das weg, was er oder sie an Trennendem angehäuft hat, jeder hat schließlich das Seine beigesteuert, beide waren schuld. Doch beide Seiten müssen zur Versöhnung bereit sein, Entschuldigungen müssen auch angenommen werden. Nachtragend zu sein, macht Versöhnung unmöglich. Versöhnung ist ein wechselseitiges Geschehen.
Paulus schreibt von der Versöhnung ein klein wenig anders, als es meiner und ich denke auch Ihrer Alltagserfahrung entspricht. Auch bei ihm ist Versöhnung ein wechselseitiges Geschehen. 2 Seiten sind beteiligt: Auf der einen Seite Gott und auf der anderen Seite die Welt. Paulus schreibt nicht „Gott und die Welt haben sich versöhnt.“ Stattdessen lesen wir „Gott versöhnte die Welt mit sich selber.“ Nicht der schuldig gewordene Mensch kommt zu Gott und bittet um Entschuldigung, sondern einzig und allein von Gott geht die Versöhnung aus. Er schaufelt von seiner Seite weg, was die Welt an Trennendem angehäuft hat. Gott macht dies auf eine uns Menschen unverständliche Weise, nämlich durch seinen Sohn. Christus wird am Kreuz zur Sünde. Er stirbt und schafft durch seinen Tod die Sünde aus der Welt. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich meine das nicht lapidar. Mir geht es überhaupt nicht darum, Sünde zu verharmlosen. Ich brauche dabei nur von mir aus zu gehen, aber ich denke, vielen von Ihnen geht es ähnlich. Wir sind unzufrieden mit uns. Uns selbst so anzunehmen, wie wir sind, fällt uns schwer. Unsere Unvollkommenheit steht uns häufig im Weg. Da gibt es Ereignisse, die wir am liebsten ungeschehen machen wollen. Innerliche Wunden, die einfach nicht heilen wollen. Mir geht oft durch den Kopf, was ich bisher alles falsch gemacht habe oder wo ich zumindest nicht das Richtige getan habe. Dann fangen die Gedanken zu kreisen an: „Hätte ich nur nicht…!“ oder „Wäre ich doch…!“ Und selbst, wenn vertraute Menschen mir sagen „Die Zeit heilt alle Wunden! Das wird schon wieder! Mach dich deswegen nicht fertig!“, denke ich mir „Ihr habt gut reden, es betrifft euch ja nicht.“ Sünde ist das Verkrümmtsein des Menschen in sich selbst. Ich bin so fixiert auf mich, dass ich weder Gott noch andere Menschen an mich ran lasse. Doch Gott nimmt die Sünde weg. Einfach so. Trotz, nein gerade wegen unserer Unvollkommenheit. Wir haben nichts, aber auch gar nichts dazu beigetragen. „Gott versöhnte die Welt mit sich selber.“ Er hat das gemacht, nicht unsere vorbildliche Frömmigkeit, unsere Kirchenzugehörigkeit, nicht einmal unser Glaube an Gott waren dazu notwendig. Und deswegen gilt die Versöhnung auch heute nicht nur den glaubensstarken Christen. Sie gilt den Zweiflern ebenso wie den Unentschlossenen. Sie gilt allen, restlos allen. Denen, die mit Kirche nichts am Hut haben genauso wie den Kirchenältesten – und zwar im gleichen Maße. Wenn das kein Grund zum Feiern ist! Es gibt ein Lied, was dieses Gesehen in schönen Bildworten beschreibt, wie diese Versöhnung aussehen kann: Wie ein Fest nach langer Trauer, wie ein Feuer in der Nacht, wie ein Tor in einer Mauer, für die Sonne auf gemacht…wie ein Brief nach langem Schweigen, wie ein unverhoffter Gruß, wie ein Blatt an toten Zweigen, ein Ich – mag – dich – trotzdem – Kuss…
Mit herzlichen Grüßen für Sie und Ihre Lieben!
Ihre Pfarrerin Evelin Franke